Man muss schon ein bisschen ausholen, um diesen wunderschönen Ausflug des Lions Club Nürnberg Martin Behaim zu erklären. Beginnen muss man wohl mit dem Namen der besuchten Einrichtung. Denn gleich der erste Begriff „Regens“ bringt uns ein bisschen ins stolpern. Was ist überhaupt ein Regens? Das gute alte Konversationslexikon klärt uns darüber auf: Es handelt sich um einen [spätlat.] Herrscher oder Fürst. In der katholischen Terminologie ist der geistliche Leiter eines Priesterseminars gemeint.
Und um einen solchen handelte es sich wohl im März 1872, als die Liegenschaft der Steuergemeinde Zell an „…Herrn geistlichen Rath und Regens Johann Evangelist Wagner“ verkauft wurde. Ein altes und ein neues Schloss, mit Gärten, Wiesen und Acker wechselten damals den Besitzer.
Bereits im April 1872 zogen dort erstmals zwei Klosterfrauen aus Dillingen mit neun taubstummen Frauen in die Schlossgebäude ein. Schon 25 Jahre vorher, im Jahr 1847 wurde nämlich in Dillingen eine Schule für Frauen mit Hörbehinderung eröffnet. Damit legten Sr. Theresia Haselmayr und Regens Wagner den Grundstein für das heutige Regens-Wagner-Werk. Seither wuchs die ursprüngliche „Taubstummenanstalt“, trotz einiger Wirren zu Zeiten der beiden Weltkriege, zur heutigen Größe. Mehr zur Geschichte lässt sich hier nachlesen!
175 Jahre Regens Wagner
Bis heute steht der Mensch im Mittelpunkt. In 14 regionalen Zentren an über 50 Standorten in Bayern sowie einer Einrichtung in Ungarn bietet Regens Wagner für über 9.300 Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen jeden Alters, differenzierte Assistenzangebote. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung, Angehörige, Mitarbeitende, Partnerinnen und Partner aus Politik und Wirtschaft mit ihrer gesamten Persönlichkeit wahr- und annehmen. An dieser Aufgabe wirken landesweit inzwischen über 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit.
Dazu muss man sich klar machen, das taube Menschen sehr eingeschränkt sind. Alleine das Erlernen von Lesen und Schreiben stellt eine enorme Hürde dar und wird häufig gar nicht komplett erlernt. Das Lesen von Büchern ist bei Gehörlosen auch deshalb nicht besonders beliebt.
Die Sprache gehörloser Personen ist traditionell die Gebärdensprache ihrer betreffenden Umgebung. Wobei die Gebärdensprache als Muttersprache dient. Gehörlose Menschen denken auch in dieser Sprache. Sie wird aber auch von Hörenden benutzt, um mit gehörlosen Personen kommunizieren zu können.
Gebärdensprachen sind vollwertige Sprachen, die alle Eigenschaften einer gesprochenen Sprache aufweisen. Sie besitzen eine eigene Grammatik, wobei der Gebärdenraum – der Raum vor dem Körper des Gebärdenden – eine große Rolle spielt. Wichtig sind die vier Parameter Handkonfiguration, Handorientation, Bewegung und Lokalität. Ferner spielen Körperhaltung, Bewegungsdynamik, Mimik und manchmal ein lautlos mitgesprochenes Wort zusätzliche Rollen.
Die Gebärdensprache ist nicht universal. Sie können einander unverständlich sein. Es hat sich eine Konvention etabliert, dass eine eigene Gebärdensprache in jedem Land mit eigenem Kürzel kursiert (ASL für Nordamerika, LSF für Frankreich, DGS für Deutschland usw.).
Das früher als Königsweg angesehene Lippenablesen wird seit den 1990er Jahren nicht mehr weiter verfolgt. Gehörlose können bei mündlicher Verständigung die Lautzeichen nicht oder nur zu einem geringen Teil erfassen. Frau Klier meint, dass sich damit nur ca. 60% gesprochener Worte richtig deuten lassen. Hinzu kommt, dass die sprechweise von Dialekten und regionalen Ausdrücken sehr vielfältig sind.
Kurze Fakten über die Einrichtung Regens Wagner Zell: Hier gibt es 108 SchülerInnen im Internat mit Hörbehinderung und zusätzlichem Förderbedarf. Dazu weitere ca. 50 Schulplätze. 400 Dauerwohnplätze und 150 Plätze für kurzfristige, ambulante Aufnahmen.
Unser Fazit nach dem Besuch: Vielen herzlichen Dank an Heike Klier, für die kompetente und hochinteressante Führung unserer Clubmitglieder. Wir waren alle sehr beeindruckt und begeistert von dem Nachmittag.